Mittwoch, 26. Oktober 2011

Wann ist eine Idee schützenswert und was ist überhaupt eine Idee?

Neulich habe ich in den Kommentaren des Blogs von Hollarius über die mögliche Neugestaltung des Urheberrechts diskutiert. Das nehme ich jetzt mal zum Anlass, mir hier etwas ausführlicher meine Gedanken zu machen, auch, weil meine Kommentare bei Hollarius relativ spontan in die Tasten gehauen waren und somit nicht völlig durchdacht.

Zunächst: Ich bin der Meinung, dass die meiste Kunst wie Lieder, Theaterstücke, Romane und dergleichen ins Reich der Ideen gehören und damit ähnlich behandelt werden sollten wie beispielsweise Patente, Erfindungen und Software behandelt werden sollten. Hierzu meine Begründung: Eine Idee kann keine Urheberschaft erzeugen oder jedenfalls keine besonderen Rechte daraus. Denn eine Idee kann jeder haben und daraus, das der eine sie eher hatte, sich ihrer eher bewusst war oder eher dazu gekommen ist, sie schützend anzumelden oder dergleichen ergibt sich eben noch keinerlei Sonderrecht, aus der Idee einen nutzen zu ziehen. Das leuchtet bei alltäglichem sofort ein: Ein Kochrezept, dass ein Hobbykoch durch herumprobieren 'entdeckt', die Zusammenstellung eines Blumenstrauß, das Bild eines dreijährigen Kindes. Alles tolle Ideen, die insbesondere bei letzterem auch relativ eindeutig auf eigene Kreativität zurückzuführen sind und eindeutig nicht auf eine bestimmte Vorlage zurückzuführen.

Trotzdem ist auch klar, dass diese Dinge nicht neu sind: Das Rezept mag in einer anderen Familie eine lange Tradition haben, die Blumen stellt der Blumenladen in einem Vorort von Moskau vielleicht schon lange so zusammen und die Kopffüssler eines Dreijährigen ähneln nunmal fast zwangsläufig den Kopffüsslern von Millionen anderen Dreijährigen. Und trotzdem wurde die Idee in keinem der Fälle geklaut.

Kann aber aus einer Idee, die jeder haben könnte, eine Leistung werden, die eindeutig und anerkennenswert ist? Spontan möchte man sagen ja: Eine abendfüllende Oper ist eben ganz einfach so lang und umfangreich, dass es recht unwahrscheinlich ist, dass jemand anders sie nochmal ersinnen kann. Somit wird der Schluß gezogen, dass ein sehr ähnliches Werk wohl auf der Oper basiert und gewissermaßen eine etwas veränderte Kopie darstellt. Ein Computerprogramm erscheint ebenfalls hinreichend komplex, dass bei ausreichender Ähnlichkeit auf bewusste oder unbewusste Nachahmung geschlossen werden kann.

Wo liegt nun aber die Grenze zwischen einer Idee, die jeder haben könnte und einem Werk, das so komplex ist, dass ein Zufall ausgeschlossen erscheint, wenn etwas ähnliches erstellt wird? Und kann eine solche Grenze gezogen werden? Musikstücke bestehen oft aus einem Thema, das variiert und doch wiedererkennbar immer wieder vorgetragen wird. So ein Thema kann eine recht kurze Melodie sein, die vielleicht ein oder zwei Takte lang ist. Eine so kurze Melodie aber ist meiner Meinung nach durchaus nicht so einzigartig, dass sie nicht unabhängig von der Kenntnis des "Originals" erdacht werden könnte. Wie komplex, wie lang, muss eine Melodie sein, und wie oft und variiert wiederholt werden, damit 'eindeutig' ist, dass es sich niemand dieselbe Melodieabfolge zufällig auch so (oder verwechselbar ähnlich) ausdenken kann? Da es sich um Wahrscheinlichkeiten handelt, ist die Antwort aus meiner Sicht ganz eindeutig: Unendlich lang, mit anderen Worten, jede noch so lange Melodie könnte durch jemanden erdacht werden, der sie nicht schon gehört hat. Das ist ja schon dadurch bewiesen, dass der 'ursprüngliche' Künstler die Melodie auch erdacht hat, ohne sie vorher zu hören, vorher hatte sie ja noch niemand erdacht.

Der Schritt von der Musik, die mir hier als Beispiel diente, zu anderen Formen der Kreativität - Malerei, Schreiben, um nur einige zu nennen - erscheint mir unproblematisch. Was in der Musik die Zusammenstellung der Noten ist in der Malerei die der Farben, beim Schreiben die der Worte. Warum sollte ein Dialog aus einem Theaterstück, der möglicherweise sogar im Alltag so stattfinden könnte, je nachdem, einzigartig sein, wo doch der Autor schon durch sein eigenes Werk den Beweis erbringt, dass die Kenntnis ebendieses Werkes nicht notwendig ist, um es zu erstellen? Nicht zuletzt ergibt sich ja auch die Möglichkeit, dass eben doch sogar schon jemand anders vorher sich das Werk so oder fast genau so erdacht hat.

Damit komme ich für mich also zu dem Schluß, dass eine Idee nicht schützenswert ist und auch eine komplexe Komposition von Ideen nicht schützenswert sein kann. Damit meine ich natürlich nicht nur die von mir genannten Beispiele von Kunst und Kreativität, sondern auch Design, Architektur, Programmierung, Rezepturen, Materialmischungen und so fort. All das ist meiner Meinung nach nicht schützenswert. Schützenswert meint hier, dass eine Art besonderes Recht für denjenigen existieren muss, der irgendetwas zum ersten Mal anmeldet, macht oder aufschreibt.

Bleibt die Frage, die Hollarius hier ganz anders beantwortet als ich: Wie sollen Kreative etwas bekommen für ihre Arbeit? Denn es ist zweifelsohne häufig (aber nicht immer und so krass, wie Hollarius das beschreibt) der Fall, dass Kreative lange und hart arbeiten müssen, um eine solche komplexe Zusammenstellung von kleinen Ideen wie ein Theaterstück, ein Stück Software oder eine Musikstück fertigzustellen. Und es ist für die Gesellschaft ja unbestritten förderlich und sinnvoll, wenn Kreative ihre Arbeit tun und Neues erschaffen, sei es zur Unterhaltung, sei es nützlich. Hierauf bietet meiner Meinung nach das bedingungslose Grundeinkommen eine Antwort, da es die Möglichkeit(!) bietet, dass der Lohn einer Arbeit wieder fairer wird. Wann ein Lohn fair ist, ist eine Frage für sich, ich meine in dem Fall, dass der Lohn sich dem tatsächlichen Bedarf anpassen wird, und zwar sowohl dem Bedarf des Zahlenden an der Arbeitskraft des Kreativen, was ja seine Kreativität mit einschließt, als auch an dem Bedarf des Kreativen an einer Entlohnung für seine Mühen, was auch z.B. eine Ausbildung, ein Studium oder entsprechende Fähigkeiten und Erfahrungen mit einschließt.

Die Chance für jeden einzelnen, jeden Job abzulehnen, der nicht angemessen bezahlt wird, ermöglicht den Druck auf die Zahlenden, so viel zu zahlen, bis genügend Leute die Arbeit machen. Bei Kreativen wie Autoren oder Malern ist die Rolle des Zahlenden sicher nicht so eindeutig definiert, was ein Problem darstellt. Aber keines, was nicht überwunden werden kann. Und nicht zuletzt ist meine Hoffnung und auch Überzeugung auch, dass die Einführung des BGE die Gesellschaft wegführt von reinem Gewinnstreben hin zu mehr Gerechtigkeitsstreben. Vielleicht werden Musiker ihre Musik häufig kostenlos abgeben - aber durch Spenden trotzdem angemessen entlohnt werden. Oder es entstehen Netzwerke, in denen die Musiker durch die Gesellschaft je nach Anzahl der Kopien, die von ihren Stücken in Umlauf sind, belohnt werden (auch wenn es mir beim Gedanken an eine Mischung aus GEMA und GfK etwas gruselt).

Ich denke, die Anpassung von Angebot und Nachfrage wird erfolgen. Auch Künstler sind nicht so selbstlos, dass sie einfach immer weiter Kunst schaffen, auch wenn es nicht entlohnt wird. Und dadurch wird das "Angebot" an Kunst so zurückgehen, dass der Preis dafür steigt, also die Bereitschaft, etwas dafür zu bezahlen. (Sollte die Annahme, dass Künstler sowieso für lau Kunst machen, doch wahr sein, dann sollte nicht die ganze Gesellschaft mit einem starren und unzeitgemäßen Urheberrecht dafür büßen, dass Künstler solche Gutmenschen sind.)

Das hier ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluß. Ich habe mich jetzt zwar einige Stunden mit Überlegungen zu dem Thema befasst, aber das ist ja immer auch eine Frage der Überzeugungen und des eigenen Menschenbilds. Daher wird sich fast sicher meine Meinung zu diesem Thema noch verändern, wenn ich weiter darüber nachdenke und diskutiere. Insofern: Los, bringt mich mit Euren Kommentaren zum Nachdenken und Diskutieren!

Samstag, 22. Oktober 2011

Finanzen und die schwäbische Hausfrau

Es würde ja eigentlich schon häufig genug der Vergleich gezogen zur schwäbischen Hausfrau, die auch kein Geld ausgibt, wenn sie keines hat. In einem Punkt muss ich dem zwar widersprechen, denn manchmal lohnt sich die Aufnahme eines Kredits - zum Beispiel beim Hauskauf oder bei einer Unternehmensgründung - aber im Prinzip ist die Aussage die, dass der Staat - eben wie genannte schwäbische Hausfrau - kein Geld ausgeben sollte, was er nicht hat.

Wenn ein Unternehmen, ein Haushalt oder eine einzelne Person kein Geld mehr hat, dann sollte gespart werden und wenn das nicht reicht, dann droht eben die Insolvenz. Es ist verständlich, dass man bei großen Banken, Unternehmen oder gar Staaten da vielleicht nicht schnell mit diesem letzten Schritt einhergeht. Aber irgendwann muss man einsehen, dass es nicht anders geht. Entweder das oder man legt sich darauf fest, dass man - wer auch immer man in dem Fall ist, zuletzt war es meistens die BRD und die EU - für den Erhalt auf alle Fälle garantiert.

Wenn ich das jetzt auf Griechenland bzw. die ganze EU-Schuldenkrise beziehe, dann komme ich zu folgendem Schluß: entweder hören wir langsam mal auf, den hochverschuldeten Staaten weiter Geld nachzuwerfen, das durch die Zinsen und die Schieflage einfach verschwindet, oder wir erklären uns mal langsam endgültig solidarisch. Und das liefe dann wohl auf eine Fiskalunion - soweit ich die Bedeutung des Begriffs verstehe - hinaus.

Stattdessen pumpen wir aus unseren überschuldeten und negativen Budgets Milliarden in die noch überschuldeteren und negativeren Budgets der Schuldenstaaten (und noch ein paar Banken, wenn es nach Herrn Sarkozy geht) und fordern die überschuldeteren Schuldenstaaten dazu auf, sich an den Rand der Revolution zu sparen.

Und weil wir als Bundesrepublik Deutschland so viel weniger verschuldet sind und ja vor allem nicht so viel neue Schulden machen wie die bösen Griechen, um jetzt mal ein Beispiel zu nennen, können wir uns auch milliardenschwere Steuersenkungen leisten.

Ich glaube, es hakt!

Freitag, 14. Oktober 2011

Self-Fulfilling Prophecy

Ich wundere mich doch immer mehr über die Ratingagenturen. Grundsätzlich ist die Existenz solcher Institutionen ja berechtigt, schließlich haben Privatanleger, Banken und Firmen ja ein Interesse daran, von neutraler Stelle zu erfahren, wie es um die Sicherheit einer Anlage bestellt ist.

Jetzt habe ich im Rahmen der Schulden- oder auch Eurokrise immer wieder mitbekommen, dass diese Ratingagenturen mit einer Abstufung 'drohen' und das wundert mich doch sehr. Aktuelles Beispiel: Die Süddeutsche Zeitung meldet, dass die Ratingagentur Fitch unter anderem der Deutschen Bank mit einer Abwertung droht.

Wie kann denn das sein? Ein Rating gibt nach meinem Verständnis an, wie wahrscheinlich es ist, dass das bewertete Institut oder Produkt in Zukunft seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommt. Fitch sagt jetzt also über die Deutsche Bank so etwas wie: "Momentan ist es sehr wahrscheinlich, dass die Bank in Zukunft ihren Zahlunfsverpflichtungen nachkommt, aber es könnte sein, dass es in Zukunft nur noch wahrscheinlich ist, dass die Bank in Zukunft ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommt."

Meiner Ansicht nach stimmt da was nicht. Fitch (und die anderen Ratingagenturen) sollten gar nicht vor zukünftigen Abstufungen warnen können! Entweder glaubt Fitch, dass die Deutsche Bank ihren Zahlungsverpflichtungen eben nicht mehr so sicher nachkommt, dann müssen sie ihr Rating jetzt verändern, oder aber sie glauben weiterhin, dass die Deutsche Bank ihren Zahlungsverpflichtungen sehr wahrscheinlich nachkommen wird, dann dürfen sie auch keine Abwertung ankündigen. Meiner Ansicht nach versucht Fitch (u.a.) mit derartigen Abwertungsankündigungen ihren eigenen Job zu umgehen: Denn wenn es der Deutschen Bank danach schlechter geht, dann haben sie es ja gesagt, und wenn nicht, dann haben sie ja nicht abgewertet.

Self-Fulfilling sind die Ankündigungen dann aber natürlich auch, denn fallende Aktienkurse der Banken schaden natürlich den Banken, ergo macht Ankündigung einer Abstufung die Abstufung wieder wahrscheinlicher.

Warum liest man eigentlich nie das umgekehrte, das würde doch auch gehen?!?