Freitag, 20. Juli 2012

Religiöse Gebote in Bezug auf Kinder und Erziehung

Die Debatte um die Beschneidung von jüdischen (und teilweise auch muslimischen) Jungen ist momentan Thema allerorten. Die Aufregung ist groß, von einer neuen Judenfeindlichkeit wird gesprochen und ganz üble Parallelen gezogen.

Anlass ist ein Gerichtsurteil, dass das Recht von Kindern auf körperliche Unversehrtheit höher bewertet als die Religions- und Erziehungsfreiheit der Eltern. Wird nun angenommen, wie es wohl auch eine breite Mehrheit im Bundestag vorhat (trotzdem die Bevölkerung da eher uneins ist), dass die Bewertung umgekehrt zu erfolgen hat, also die körperliche Unversehrtheit von Kindern der Religions- und Erziehungsfreiheit nachrangig ist, so ergeben sich meines Erachtens einige ganz interessante eklige Vorstellungen:

So sagt die Bibel:
Wenn ein Mann einen störrischen und widerspenstigen Sohn hat, der nicht auf die Stimme seines Vaters und seiner Mutter hört, und wenn sie ihn züchtigen und er trotzdem nicht auf sie hört, dann sollen Vater und Mutter ihn packen, vor die Ältesten der Stadt und die Torversammlung des Ortes führen und zu den Ältesten der Stadt sagen: Unser Sohn hier ist störrisch und widerspenstig, er hört nicht auf unsere Stimme, er ist ein Verschwender und Trinker. Dann sollen alle Männer der Stadt ihn steinigen und er soll sterben. Du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen. (Dtn 21,18-21) 
Also, wenn Schläge nicht helfen, dann steinigen alle Männer der Stadt den Sohn.

Oder hier:
Wen der Herr liebt, den züchtigt er, / wie ein Vater seinen Sohn, den er gern hat. (Spr 3,12)
Oder hier:
Wer die Rute spart, hasst seinen Sohn, / wer ihn liebt, nimmt ihn früh in Zucht. (Spr 13,24)
Oder hier:
Züchtige deinen Sohn, solange noch Hoffnung ist, / doch lass dich nicht hinreißen, ihn zu töten. (Spr 19,18)
Immerhin nicht töten, ist doch schonmal was. Ich habe noch welche:
Wie Musik zur Trauer ist eine Rede zur falschen Zeit, / Schläge und Zucht aber zeugen stets von Weisheit. (Sir 22,6)
Bisher alles Altes Testament. Vielleicht ist das neue das besser?
Mein Sohn, verachte nicht die Zucht des Herrn, / verzage nicht, wenn er dich zurechtweist. Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; / er schlägt mit der Rute jeden Sohn, den er gern hat. Haltet aus, wenn ihr gezüchtigt werdet. Gott behandelt euch wie Söhne. Denn wo ist ein Sohn, den sein Vater nicht züchtigt? Würdet ihr nicht gezüchtigt, wie es doch bisher allen ergangen ist, dann wäret ihr nicht wirklich seine Kinder, ihr wäret nicht seine Söhne. Ferner: An unseren leiblichen Vätern hatten wir harte Erzieher und wir achteten sie. Sollen wir uns dann nicht erst recht dem Vater der Geister unterwerfen und so das Leben haben? (Hebr 12,5-9)
Wohl nicht. :-(
Jede Züchtigung scheint zwar für den Augenblick nicht Freude zu bringen, sondern Schmerz; später aber schenkt sie denen, die durch diese Schule gegangen sind, als Frucht den Frieden und die Gerechtigkeit. (Hebr 12,11)
Naja, ich geb's auf.

Natürlich weiß ich, dass die Bibel, gerade im Neuen Testament, an zahlreichen Stellen gute Ansätze hat, auch und gerade was die Erziehung und die Gewaltlosigkeit angeht, dass die Liebe an erster Stelle steht. Hier (wie an anderen Stellen) widersprechen sich die Gebote der heiligen Schriften, und da ist die Bibel und das Christentum keine Ausnahme, sondern in guter Gesellschaft mit anderen heiligen Schriften.
Daher meine ich: Heilige Schriften, Glaubensgrundsätze und religiöse Überzeugungen sind gute Helfer und Richtlinien, die einen persönlich (auch mit einer persönlichen Auswahl und Interpretation) guten Rat bieten können und die an vielen Stellen viel Weisheit und Wahrheit enthalten. Es gibt aber grundlegende Rechte, zu denen ich beispielsweise die Menschenrechte zähle. Diese beinhalten:

  • das Recht auf körperliche Unversehrtheit,
  • den Schutz vor Körper- und Prügelstrafen und
  • die Abschaffung der Züchtigung in Erziehung und Schule.
Diesen Rahmen muss man einhalten. Das hat das Gericht zu Recht gesehen und der Bundestag tut sich keinen Gefallen, hier eine Ausnahme, gewissermaßen einen Präzedenzfall zu schaffen, auf den sich im Zweifelsfall auch Mädchenbeschneider oder Leute berufen, die die Prügelstrafe in der Kindeserziehung gerne wieder etablieren möchten.