Freitag, 17. April 2009

Leserbrief zum Thema Sperrung von kinderpornografischen Webinhalten

"Eine Zensur findet nicht statt." So lautet Artikel 5, Absatz 1, Satz
3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.

Die Websperren können ihr Ziel aus mehreren Gründen nicht erreichen.
Zum einen, weil Sperrungen technisch nicht angemessen durchzuführen
sind: Jede in Frage kommende Methode lässt sich auf einfachste Weise
umgehen, trifft auch völlig harmlose, vom fraglichen Inhalt
unabhängige Seiten oder würde einen unglaublichen Hardware-Einsatz
benötigen.
Des weiteren sorgen Websperren für das bekannte "Aus dem Auge, aus dem
Sinn": Die Kinderschutzorganisation Carechild hat 20 Adressen aus der
dänischen Sperrliste überprüft. Mit einer einfachen Email an die
jeweiligen Provider gingen 16 der 20 Webseiten offline, bei drei
Webseiten teilten die Provider glaubhaft mit, dass keine illegalen
Inhalte vorlägen oder brachten Altersnachweise der abgebildeten
Personen bei. Wohlgemerkt: Dänische Behörden hatten die Adressen als
illegal eingestuft und sperren lassen, anstatt die Inhalte einfach mit
einer kurzen Email innerhalb weniger Tage komplett aus dem Netz zu
entfernen.
Das Argument von Frau von der Leyen, man könne der
Kinderpornografie-Industrie durch die Websperren wirtschaflich
treffen, zieht ebenfalls nicht. In der aktuellen Ausgabe der c't
finden sich Ermittler, Rechtsanwälte und Medienwissenschaftler, die
darin übereinstimmen, dass der kommerzielle Handel mit
Kinderpornografie nicht im Internet stattfindet, sondern hauptsächlich
auf dem Postweg. Ein Ermittler des LKA Niedersachsen fielen aus
langjähriger Berufspraxis nur zwei Fälle für kommerziellen Handel auf
Webservern ein.
Selbst, wenn all diese Einwände nicht wären, bliebe die Sperrung von
Webinhalten in der geplanten Form falsch. Es ist vorgesehen, dass das
BKA die Sperrliste geheim führt. An keiner Stelle ist eine
Beschwerdestelle, eine richterliche Prüfung, eine Benachrichtigung der
betroffenen Anbieter oder dergleichen geplant. Aber genau diese drei
Punkte wären auch bei einer gesetzlichen Lösung dringend nötig, um
rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Denn was passiert mit dem
Zahnarzt, dessen Webseite einige Tage lang illegales Material
enthielt, das ihm Hacker untergeschoben haben und der dadurch auf der
Sperrliste landete? Was ist mit Anbietern von legaler und rechtmäßiger
Erwachsenenpornografie, die nachweisen könnten, dass alle abgebildeten
Bilder von Erwachsenen stammen?

Eine Zensur findet nicht statt. Noch nicht.

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