Dienstag, 21. Februar 2012

Schon wieder dagegen?


Hm, ich gewinne von den Piraten manchmal den Eindruck einer Dagegen-Partei. Gauck war vor zwei Jahren nicht piratiger als heute. Vielleicht hat er ein paar der kritisierten Meinungen erst während Wulffs Präsidentschaft gezeigt, aber ich sehe noch kein Indiz dafür, dass Gauck sich grundsätzlich verändert hätte.

Warum also stellt sich die Piratenbasis (gefühlt) breit gegen Gauck, wo sie doch vor zwei Jahren (gefühlt) breit für Gauck war? Ich habe da eine ganz persönliche Theorie: Es liegt daran, dass Wulff vor zwei Jahren der Kandidat der CDU und FDP war und große Aussichten darauf hatte, von Merkel durchgedrückt zu werden. Heute ist es Gauck, der von FDP et al ohne realistischen Gegenkandidaten 'durchgedrückt' wird.

Der Reflex der Piraten ist dann, so meine Interpretation, genau hinzuschauen. Wohlgemerkt, vor zwei Jahren hat die Menge der Leute Gauck offenbar nicht so genau durchleuchtet, wenn ich mir die Kritik anschaue, die er jetzt einstecken muss. Warum nicht? Vor zwei Jahren wäre eine Wahl Gaucks als Sieg der Piraten (und der Netzgemeinde) über die Etablierten empfunden worden. Heute nominieren die Etablierten Gauck selbst. Und die Piraten stehen da. Man kann, man darf ja den Etablierten nicht zustimmen, wo kämen wir denn da hin?

Also wird Gauck durchleuchtet und alles negative gebündelt und man ist gegen ihn, getreu dem Motto "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden." Nur, handeln die Piraten weiser, wenn sie eine Person genauer anschauen und feststellen, dass die wohl doch nicht so dolle ist und wir jetzt schnell die alten Hashtags auspacken müssen, #notmypresident und so? Nein, denn der Fehler von vor zwei Jahren war nicht die Zustimmung zu Gauck sondern der Grund dafür und derselbe Grund zieht nun gegen Gauck.

Man muss Gauck als Präsidenten nicht gut finden, keineswegs. Aber man sollte sich und sein Gewissen mal fragen, warum man ihn vielleicht vor zwei Jahren gut fand. Mich persönlich stört an der ganzen Geschichte ja am meisten, dass Angela Merkel und ein Dutzend Leute oder so bestimmen, wer Bundespräsident wird. Ich meine mich zu erinnern, dass wir dafür eine Bundesversammlung mit über 1000 Leuten haben, die das eigentlich entscheiden soll und die nicht nur abnicken soll, was Frau Merkel sagt.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ja, es gibt einen guten Grund, jetzt gegen Gauck zu sein - weil er von den etablierten Medien ohne Rücksicht auf Verluste und ohne Berücksichtigung der Schattenseiten zum Präsidenten der Herzen hochstilisiert wurde.
Und seine Angrieffe gegen Occupy und seine Einlassung, dass Vorratsdatenspeicherung okay ist, wenn sie denn Ergebnisse bringt, kamen nach der Wahl vor zwei Jahren, und sind eben beides Schläge ins piratische Kontor.
Ich fand ihn vor zwei Jahren gut, weil ich an die Mär vom Freiheitskämpfer geglaubt habe - aber wenn du es nicht in Ordnung findest, dass man sich neu informiert und daraus weiser wird, gut, dann reicht die bisherige Diskussionskultur in Deutschland auch vollkommen aus ...
Den letzten Punkt finde ich übrigens in völliger Übereinstimmung mit dir auch schrecklich ...

Argolas hat gesagt…

Ich kritisiere auch weniger, dass man gegen Gauck ist, sondern dass man vor zwei Jahren nicht gegen Gauck war. Wir sollten so selbstkritisch sein und sagen, dass wir offenbar vor zwei Jahren nicht so genau hingeschaut haben. Und uns dann bei dem nächsten Kandidaten, den wir favorisierenn fragen, ob wir jetzt genau genug hinschauen oder ob der wieder in ein, zwei Jahren verbrannt ist.

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